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An einem traumhaft sonnigen Oktobertag besuchen wir den visionären Baumeister Gion A. Caminada in Vrin, seinem Heimatdorf und architektonischen Freilandlabor. Seit mehr als dreissig Jahren wirkt er hier, gestaltete Wohnhäuser, Ställe, ein Schlachthaus, eine Sägemühle, eine öffentliche Telefonzelle und natürlich seine berühmte Totenstube «Stiva da morts». Sein Werk ist geprägt von der traditionellen Strickbauweise der Region, die er immer weiterdenkt, im eigenen Stil, variiert zu moderner Architektur. Die angestammte Methode bleibt: Stamm auf Stamm, übers Eck verzahnt und verstrickt. GEPRÄGT VOM DORF UND VOM EWIGEN HINAUFGEHEN Die Berge und sein einfaches Leben im kleinen Bergdorf prägten Caminada als Kind und später als Mann, als Architekt, als Schweizer. «Ich bin als Bauernsohn hier aufgewachsen», erzählt er. «Die Beziehung zur Landschaft hat mich natürlich auch geprägt, meine Haltung. Dieses immerwährende Hinaufgehen. Immer Kühe. Knappheit an Ressourcen. Die Leute waren damals, als ich ganz jung war, sehr arm, und man hatte nur die Notwendigkeiten zum Leben.» Caminada lebt mit seiner Frau Giuseppa noch immer in Vrin. Einer seiner drei erwachsenen Söhne baut Architekturmodelle für ihn, ein weiterer ist Bildhauer und der dritte geht «irgendwo Richtung Textilien», erzählt der Vater. Er finde es in Ordnung, dass keines seiner Kinder Architekt werden wolle: «Das bleibt dann mit mir stehen. So muss es sein, klar.» LEBEN UND ERFAHRUNG IM LOKALEN Anstatt sich über die ganze Welt den Kopf zu zerbrechen, denkt Caminada lieber lokal. Es sei das Beste, sich auf die regionalen Wurzeln und Eigenarten zu besinnen und die Welt einzuladen, sich am Spezifischen zu orientieren. «Alles Wichtige geschieht im Lokalen», sagt er.